Ein Gespräch mit Festivalleiterin Yvonne Büdenhölzer. Über Machtstrukturen an Theatern und die Frage, wie man die wichtige Position der Intendanz anders aufstellen könnte.
Yvonne Büdenhölzer, Leiterin des Theatertreffens, im Haus der Kulturen der Welt in Berlin. Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa
Yvonne Büdenhölzer, Leiterin des Theatertreffens, im Haus der Kulturen der Welt in Berlin. Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Leiterin des Berliner Theatertreffens hat dafür geworben, öfter über neue Führungsstrukturen an Bühnen nachzudenken.

«Es ist einfach an der Zeit, die traditionellen und eingeübten Machtstrukturen aufzubrechen und für Diskriminierung keinen Raum zu lassen», sagte Yvonne Büdenhölzer der Deutschen Presse-Agentur vor Beginn des Festivals am Donnerstag (13. Mai).

«Wenn das nicht passiert, dann glaube ich, wird das Theater seine Glaubwürdigkeit als kritisches Reflexionsmedium verlieren», sagte Büdenhölzer. Auf der Bühne würden zwar kritische Themen verhandelt, aber hinter der Bühne sehe es häufig anders aus. «Wobei ich betonen möchte: Es ist nicht an allen Häusern so.»

In der Theaterszene war zuletzt öfter über Diskriminierung und Machtmissbrauch diskutiert worden. Am Düsseldorfer Schauspielhaus und am Berliner Staatsballett ging es um Rassismus. An der Berliner Volksbühne trat der Intendant nach Vorwürfen mehrerer Frauen zurück. Auch über das Arbeitsklima am Maxim Gorki Theater wurde diskutiert.

«Gerade kommen einige Fälle an die Öffentlichkeit, und das ist sicherlich für viele auch eine Ermutigung, nicht länger wegzuschauen», sagte Büdenhölzer, die mit dem Theatertreffen eines der wichtigsten Bühnenfestivals leitet. Seit der #MeToo-Bewegung seien Fragen von Diskriminierung jeglicher Art und damit auch von Führung und Verantwortung viel stärker in den Vordergrund gerückt.

«Was aber gerade passiert, ist, dass durch diese öffentliche Debatte der Theaterbetrieb negativ wahrgenommen wird. Skandale wie an der Berliner Volksbühne oder am Düsseldorfer Schauspielhaus haben die breite Fläche erreicht», sagte Büdenhölzer. «Ich bin da von vielen Menschen, die mit Theater nichts zu tun haben, darauf angesprochen worden.» Sie finde es gut, die Debatten in dieser Härte zu führen. «Wir sind damit vielen anderen Bereichen der Gesellschaft voraus.»

Büdenhölzer warb dafür, die künstlerische Leitung auf mehrere Schultern zu verteilen. «Die Idee vom Alleinherrscher an der Spitze eines Theaters, die finde ich nicht mehr zeitgemäss.» Es brauche Strukturen, die produktiv mit Hierarchien umgingen und Menschen, die bereit seien, am Ende die Verantwortung zu tragen. «Aber ich fände es sinnvoll, dass man diese Position aufteilt auf unterschiedliche Personen. Etwa auf eine Doppelspitze oder ein Team.»

Intendantinnen und Intendanten hätten natürlich schon geschäftsführende Direktorinnen und Direktoren an ihrer Seite. Das meine sie nicht. «Sondern ich frage mich, wie die Position der Intendanz sinnvoll aufgeteilt werden kann. Vier Augen sehen einfach mehr als zwei.» Man habe im Haus dann auch einfach mehr Ansprechpersonen in der Führung.

«Oft gibt es eine Person an der Spitze eines Hauses, die viel Gestaltungsfreiheit und damit auch Macht hat, aber Verantwortung scheut», sagte Büdenhölzer. Das könne sich negativ auf den Betrieb auswirken. «Und es gibt positive Beispiele mit geteilter Führung. Etwa das Schauspielhaus Zürich - die Position der Intendanz ist dort aufgeteilt.» Das Schauspiel Basel werde von mehreren Personen geleitet, das Theaterhaus Jena arbeite seit Jahrzehnten mit einem Leitungsteam.

«Ich glaube, dass wir da noch mehr positive Beispiele brauchen», sagte Büdenhölzer. Sie forderte auch ein Umdenken bei übergeordneten Stellen. «Oft argumentiert die Politik ja, sie wollten eine Person, die Verantwortung übernehme. Und da frage ich mich schon: Warum können das nicht mehrere sein? Zudem ist ein toller Künstler nicht automatisch ein guter Intendant.» In ihrem Team arbeite sie mit flachen Hierarchien und eigenen Leitungen für verschiedene Bereiche.

Das Berliner Theatertreffen zeigt jedes Jahr zehn bemerkenswerte Inszenierungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Eine Jury trifft die Auswahl - schon die Einladung gilt als Auszeichnung. Wegen der Pandemie muss das Festival erneut online stattfinden - alle zehn Inszenierungen werden im Internet gezeigt. Man kann sie kostenlos online schauen - oder auf freiwilliger Basis auch ein Ticket kaufen. Eröffnet wird das Theatertreffen am Donnerstagabend mit «Einfach das Ende der Welt» von Christopher Rüping am Schauspielhaus Zürich.

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