Ex-Generalstaatsanwalt Jesús Murillo Karam wurde am Freitagabend in seinem Haus in Mexiko-Stadt festgenommen und am Samstag in Untersuchungshaft genommen.
Portraits der verschwundenen Studenten
Portraits der verschwundenen Studenten - AFP/Archiv
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Dem Ex-Generalstaatsanwalt wird «Verschwindenlassen», Folter & Rechtsbeugung vorgeworfen.
  • Seine Anhörung soll 12 Stunden gedauert haben.

Fast acht Jahre nach dem Verschwinden von 43 Studenten in Mexiko haben die Behörden den damals für die Ermittlungen zuständigen Generalstaatsanwalt festgenommen und Haftbefehle gegen 64 Soldaten und Polizisten erlassen. Ex-Generalstaatsanwalt Jesús Murillo Karam wurde am Freitagabend in seinem Haus in Mexiko-Stadt festgenommen und am Samstag in Untersuchungshaft genommen, wie aus Justizkreisen verlautete. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft ihm «Verschwindenlassen», Folter und Rechtsbeugung vor.

Murillo Karam wurde nach seiner Festnahme einem Haftrichter vorgeführt, nach Angaben aus Justizkreisen dauerte die Anhörung fast zwölf Stunden. Die U-Haft soll demnach «sein Erscheinen bei der für kommenden Mittwoch angesetzten Anhörung garantieren», bei der es um die Anklageerhebung gehen soll.

Nur Stunden nach der Festnahme des Ex-Generalstaatsanwalts gab die Staatsanwaltschaft ausserdem Haftbefehle gegen 44 Polizisten, 20 Angehörige der Streitkräfte sowie 14 Mitglieder der Drogenbande Guerreros Unidos bekannt. Ihnen wird eine Verwicklung in das Verschwinden der Studenten im Jahr 2014 zur Last gelegt, das weltweit für Schlagzeilen und Entsetzen gesorgt hatte.

2014 verschwanden 43 Studenten

Die 43 Studenten eines linksgerichteten Lehrerseminars im südmexikanischen Ayotzinapa waren in der Nacht zum 27. September 2014 nahe der Stadt Iguala im Bundesstaat Guerrero verschwunden, als sie auf dem Weg zu einer Demonstration in der Hauptstadt Mexiko-Stadt waren. Bis heute sind nur die sterblichen Überreste von drei Opfern identifiziert worden.

Der damals zuständige Generalstaatsanwalt Murillo Karam gilt als Architekt der sogenannten «historischen Wahrheit», der 2015 unter dem damaligen Präsidenten Enrique Peña Nieto vorgelegten offiziellen Erklärung zu den Hintergründen der Tat. Demnach waren die Studenten von korrupten Polizisten verschleppt und an die Drogenbande Guerreros Unidos ausgeliefert worden. Bandenmitglieder sollen die Studenten für Angehörige eines verfeindeten Kartells gehalten, ermordet und die Leichen verbrannt haben.

Die Familien der Studenten und unabhängige Experten der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte zweifeln die offiziellen Ermittlungsergebnisse aber an. Eine 2019 von Peña Nietos Nachfolger Andrés Manuel López Obrador ins Leben gerufene Wahrheitskommission kam in einem am Donnerstag vorgelegten Bericht zu dem Schluss, dass auch Soldaten eine Mitschuld am Verschwinden der Studenten tragen.

«Staatsverbrechen»

«Ihre Taten, Unterlassungen oder Beteiligung ermöglichten das Verschwinden und die Hinrichtung der Studenten sowie die Ermordung von sechs weiteren Menschen», sagte der Leiter der Wahrheitskommission Ayotzinapa, Alejandro Encinas, bei der Vorstellung des Berichts. Er sprach von einem «Staatsverbrechen».

Präsident López Obrador forderte daraufhin, die Wahrheit müsse bekannt und die Verantwortlichen müssten «bestraft» werden. Der Staatschef hatte bereits im März gesagt, es gebe Ermittlungen gegen Marinesoldaten. Diese sollen bei Ermittlungen Beweise manipuliert haben, insbesondere auf einer Müllkippe, auf der menschliche Überreste gefunden worden waren.

Wahrheitskommissionschef Encinas sagte am Donnerstag ausserdem, die Streitkräfte hätten einen Soldaten in das Lehrerseminar von Ayotzinapa eingeschleust. Der Soldat habe über die Aktivitäten der Studenten berichtet. Sein Aufenthaltsort ist seit dem Verschwinden der Studenten ebenfalls unbekannt.

Ex-Generalstaatsanwalt Murillo Karam ist der bisher ranghöchste frühere Beamten, der im Zuge der Ermittlungen zu dem Fall festgenommen wurde. Er galt einst als Schwergewicht der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI), die Mexiko bis ins Jahr 2000 mehr als 70 Jahre lang ununterbrochen regiert hatte. Die Partei bezeichnete seine Festnahme am Freitag als politisch motiviert.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Andrés Manuel López ObradorMenschenrechteDemonstrationHinrichtungHaft