Algerien wählte am Samstag ein neues Parlament. Viele boykottierten die Wahlen, da sie trotz neuer Regierung nicht an Veränderungen glauben.
Algerien
Demonstranten in Algerien nehmen an einer Kundgebung teil. (Archivbild) - dpa
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Mehr als zwei Jahre nach dem Sturz von Langzeitherrscher Abdelaziz Bouteflika hat Algerien am Samstag ein neues Parlament gewählt.
  • Die Menschen demonstrieren seit Monaten für mehr Demokratie.
  • Viele boykottierten die Wahl, da sie nicht an Veränderungen glauben.

In der Nationalversammlung in Algerien gibt es 407 Sitze zu besetzen. Ungefähr 24 Millionen Menschen wurden dazu aufgerufen über die Besetzung zu entscheiden.

Bis zum Nachmittag zeichnete sich jedoch eine eher geringe Beteiligung ab. In der Hauptstadt Algier gab es vor Wahllokalen nur wenig Interesse. Mehrere Oppositionsparteien und Teile der Protestbewegung hatten zum Boykott aufgerufen. Ein vorläufiges Ergebnis wird am Montag erwartet.

Algerien
Demonstranten am Wahltag in Algerien. - AFP

Präsident Abdelmadjid Tebboune hatte das noch unter Bouteflika gewählte Parlament im Februar nach Massenprotesten aufgelöst. Ursprünglich hätte erst im Mai 2022 neu gewählt werden müssen.

Anhänger der Regierung sehen darin einen wichtigen Schritt in Richtung eines politischen Wandels, den Tebboune vor seinem Machtantritt versprochen hatte. Gegner der Regierung wollen die bisherige politische Elite jedoch entmachten. Sie werfen ihr Misswirtschaft und Korruption vor.

Algerien demonstriert für mehr Demokratie

Seit Monaten gehen regelmässig Tausende für mehr Demokratie und grundlegende Reformen auf die Strasse. Sie sehen ihre Forderungen durch die jetzige Wahl nicht erfüllt. «Die Mehrheit der Bevölkerung will diese Wahl nicht», sagt der in Algerien geborene Politikprofessor der Universität Marburg, Rachid Ouaissa.

Bereits im Wahlkampf hätten die Kandidaten vor leeren Sälen gestanden. Bei einer Abstimmung über eine Verfassungsänderung im November lag die Wahlbeteiligung nur bei 23,7 Prozent.

Algerien
Algeriens Präsident Tebboune bei einer TV-Ansprache. - AFP/Archiv

Eine Passantin in Algier sagte der dpa: «Ich habe den Boykott gewählt.» Sie erkenne die Legitimität der Wahl nicht an. Ein 78-Jähriger wiederum nannte die Abstimmung eine «nationale Pflicht». Manche gaben auch Wahlzettel ab, ohne etwas anzukreuzen.

Viele betrachten die heutige Führung als Fortsetzung des alten Systems unter Bouteflika, der 20 Jahre an der Macht war. Tebboune war Mitglied der Regierungspartei und hatte verschiedene Ministerämter inne.

Willkürliche Verhaftungen

«Der Präsident ist nur eine symbolische Figur, die macht, was das Militär will», sagt Politikprofessor Ouaissa. «Das Volk will, dass sich das Militär aus der Politik zurückzieht. Das ist das A und O der Proteste.» Die UN und Amnesty International haben willkürliche Verhaftungen bei den Protesten kritisiert.

Kurz vor Beginn der Wahl liessen die Behörden am Samstag mehrere inhaftierte Aktivisten und Journalisten frei, wie ein Verteidiger mitteilte. Sie waren am Donnerstag festgenommen worden.

In den 1990er Jahren herrschte in dem nordafrikanischen Land ein Bürgerkrieg, in dem sich Regierung und Islamisten bekämpften. In der als «schwarzes Jahrzehnt» bezeichneten Zeit starben je nach Schätzungen zwischen 60'000 und 150'000 Menschen. Heute gilt Algerien in der Region als relativ stabil.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Amnesty InternationalAbstimmungKorruptionParlamentWahlkampfRegierung