ZSC Lions: Unerfüllte Meisterträume
Die ZSC Lions bringen auch in dieser Saison alles mit, um Meister zu werden. Zum Saisonstart muss das Zürcher Starensemble mit Sven Andrighetto allerdings auf einen seiner Topstürmer verzichten.
Das Wichtigste in Kürze
- Am Freitag treffen die ZSC Lions zum Saison-Auftakt auf Ajoie.
- Reicht es für die Zürcher endlich wieder zum ersehnten Titel?
Noch ist es ruhig im imposanten Hockey-Tempel in Zürich-Altstetten. Auf dem Eis der vor knapp einem Jahr eröffneten, schmucken ZSC-Arena dreht Sven Andrighetto einsam seine Kreise. Er dribbelt, sprintet und schiesst hin und wieder mit der nötigen Portion Vorsicht auf das verlassene Tor, während sich seine Teamkollegen in der Garderobe auf eines der letzten Trainings vor dem Meisterschaftsstart vorbereiten.
Die Lions eröffnen ihre Saison am Freitag mit dem Heimspiel gegen Ajoie. Andrighetto wird unter den 12'000 Zuschauern auf der Tribüne Platz nehmen müssen. Er ist verletzt.
Andrighetto: «Dauert eine Zeit»
Rein äusserlich ist dem Nationalstürmer kaum etwas anzumerken. Der Speed, die feinen Hände und der gute Schuss – alles scheint noch zu funktionieren. Doch wenn Andrighetto den Handschuh auszieht, verrät ein blauer Verband, dass noch nicht wieder alles in Ordnung ist. Ein komplizierter Bruch des Kahnbeins, ein kleiner Knochen im Handgelenk, erfordert Geduld.
Die Verletzung hatte er sich vergangenen Dezember im Nationalteam zugezogen, in den Playoffs bestritt er gleichwohl einige Partien. Doch auch seine Tore halfen dem ZSC nicht, um das Ausscheiden im Playoff-Halbfinal gegen den EHC Biel abzuwenden.
Nach dem bitteren Saisonende liess sich Andrighetto in der Schulthess-Klinik in Zürich operieren. «Mir wurde etwas Knochen von der Speiche entnommen, dieser wurde dann mit einer Schraube direkt am Kahnbein angebracht. Bis das richtig zusammenwächst, dauert es allerdings eine Zeit», erzählt Andrighetto gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Um das Handgelenk ruhig zu stellen und um zu verhindern, dass bei zu grosser Belastung der Knochen sogleich wieder bricht, trug er nach der Operation fünf Monate lang einen Gips. Um den Heilungsverlauf zu beschleunigen, holte er sich ausserdem Rat bei Handspezialisten in Innsbruck.
Zeitpunkt der Rückkehr noch unklar
Noch ist die Kraft und die Beweglichkeit in der Hand nicht vollständig zurück, die Therapie nicht abgeschlossen. Die Verletzung fordert Andrighetto nicht nur körperlich, sondern auch mental. «Es gab Tage, die waren schwierig, wenn ich den Jungs auf dem Eis zusehen musste.» Motivation findet er, wenn wie zuletzt Fortschritte zu erkennen sind. So konnte die Belastung sukzessive gesteigert werden, vorerst mit Einzeltrainings auf dem Eis und Einheiten im Kraftraum.
Eine genaue Prognose für eine Rückkehr in den Spielbetrieb ist schwierig, die Ärzte rechnen nicht mit einem Comeback vor November. Doch Andrighetto gibt sich kämpferisch: «Natürlich hoffe ich, dass ich nicht viele Spiele verpasse. Ich konzentriere mich voll auf meine Reha. Mein Ziel ist es, stärker zurückzukommen als vor der Verletzung.»
Als Rückkehrer galt der 30-Jährige aus Uster auch, als er nach neun Jahren im Ausland, davon fünf in der NHL und eine in der KHL, auf die Saison 2020/21 wieder in seine Heimat und zu seinem Jugendverein fand. Er unterschrieb mit dem ZSC damals einen Fünfjahresvertrag, mit dem klaren Ziel, Schweizer Meister zu werden. Nun soll es im vierten Vertragsjahr und trotz Anlaufschwierigkeiten endlich klappen.
Führt Crawford die ZSC Lions wieder zum Erfolg?
Das Zeug für ganz nach oben hat der ZSC allemal. Die Zürcher sind im Tor, in der Verteidigung und im Sturm (mit den drei neuen Ausländern Rudolfs Balcers, Jesper Fröden und Derek Grant) erneut hochklassig besetzt.
Denis Malgin, wie Andrighetto ein Rückkehrer, der seinen NHL-Traum aufgegeben hat und noch ohne Titel ist, wird zweifellos die ohnehin schon starke Offensive der Lions befeuern. «Er ist einer der besten und kreativsten Spieler der Liga, wir sind sehr froh, ihn in unseren Reihen zu haben», sagt Marc Crawford über den potenziellen Königstransfer.
Der Kanadier, der Mitte der letzten Saison den Schweden Rikard Grönborg als Trainer beerbt hat, ist den Beweis schuldig, dass sich seine Rückkehr für den ZSC gelohnt hat. Während seiner ersten Amtszeit in Zürich hatte er den Klub 2014 bereits einmal zum Meistertitel geführt. Nun weist Crawford seit seiner Ankunft Ende Dezember eine negative Sieg-Niederlagen-Bilanz aus. Das wird den hohen Ansprüchen selbstredend nicht gerecht.
Es fehlt an mentaler Härte
Die Erwartungshaltung an den ZSC ist gross, aber das war sie schon in den Saisons zuvor. Trotzdem sind die Lions in letzten neun Jahren nur einmal (2018) Meister geworden. 2021/22 vergaben sie – mit einem überragenden Malgin – im Playoff-Final gegen Zug eine 3:0-Führung. Im letzten Frühjahr scheiterte der «Zett» im Playoff-Halbfinal sang- und klanglos mit 0:4 an Biel.
In der Saisonanalyse wurde die fehlende «mentale Härte» als ein Schwachpunkt ausgemacht. «Wir haben uns in den entscheidenden Momenten zu schnell aus der Ruhe bringen lassen», erklärt Captain Patrick Geering. Dies sei in der Vorbereitung auf die neue Saison ein grosses Thema gewesen. «Mit einer Reihe von Teamevents und -Herausforderungen haben wir viel Wert auf das Teambuilding gelegt», so Geering. Dafür wurden aus dem Ausland extra ausgebildete Coaches eingeflogen, um aus einer meisterlichen Defensive und Offensive auch ein meisterliches Team zu formen.
Geht die Rechnung auf, wäre es für Crawford, Malgin und insbesondere für den Langzeitverletzten Andrighetto die Krönung ihrer Rückkehr.