Was man über die Kongresswahlen in den USA wissen muss

Vor zwei Jahren wurde US-Präsident Donald Trump gewählt, nun steht erstmals wieder eine wichtige Wahl an: Die Amerikaner entscheiden über den Kongress.

US-Präsident Donald Trump spricht während einer Wahlkampveranstaltung. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Am 6. November wählt die amerikanische Bevölkerung den Kongress.
  • Die Abstimmung könnte über die Zukunft von US-Präsident Donald Trump entscheiden.

Die USA fiebern auf die Zwischenwahlen hin, die sogenannten Midterms finden am 6. November statt. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen die Wahlen zum Kongress in Washington. Nicht zur Wahl steht Präsident Donald Trump – dennoch könnte die Abstimmung auch über seine Zukunft entscheiden. Fragen und Antworten zur Wahl:

Was ist der Kongress?

Der Kongress ist das Parlament der USA und besteht aus zwei Kammern: Dem Repräsentantenhaus mit 435 Abgeordneten und dem Senat mit 100 Sitzen. Jeder der 50 US-Bundesstaaten schickt Abgeordnete ins Repräsentantenhaus, deren Zahl sich nach der Grösse der Bevölkerung des jeweiligen Staates bemisst. Unabhängig von seiner Grösse entsendet jeder Bundesstaat zwei Vertreter in den Senat. Beide Kammern des Kongresses haben ihren Sitz im Kapitol in Washington.

Wird der gesamte Kongress neu gewählt?

Nein. Zur Wahl stehen alle 435 Abgeordnete im Repräsentantenhaus, deren Legislaturperiode nur zwei Jahre dauert. Ausserdem werden 35 der 100 Senatssitze vergeben. Senatoren werden für sechs Jahre bestimmt. Alle zwei Jahre wird rund ein Drittel der 100 Senatoren neu gewählt.

Wann wird der Präsident gewählt?

Die Präsidentenwahl findet alle vier Jahre statt und steht 2020 wieder an. Donald Trump wurde im November 2016 gewählt und will 2020 erneut kandidieren. Die Kongresswahlen in diesem Jahr sind also in der Mitte seiner ersten Amtszeit und heissen daher auch «Midterm elections» oder «Midterms» (Zwischenwahl).

Wie ist die Machtverteilung im Kongress vor der Wahl?

Derzeit haben Trumps Republikaner im Repräsentantenhaus mit 235 von 435 Sitzen eine komfortable Mehrheit. Im Senat stellen sie 51 der 100 Senatoren, also nur knapp mehr als die Hälfte. Die oppositionellen Demokraten wollen die Mehrheit in beiden Kammern erobern.

Wie stehen die Chancen der Opposition?

Die Wahlanalysten der Nachrichtenseite FiveThirtyEight rechnen den oppositionellen Demokraten gute Chancen aus, die Mehrheit im Repräsentantenhaus zu holen. Sie sehen aber nur eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass den Demokraten das auch im Senat gelingt.

Wie verlaufen die Kongresswahlen traditionell?

Bei der Kongresswahl in der Mitte zwischen zwei Präsidentenwahlen bekommt meist die Regierungspartei einen Denkzettel verpasst. Auch Trumps demokratischer Vorgänger Barack Obama musste das bei den Zwischenwahlen vor vier Jahren schmerzlich erfahren: Damals blieben die Republikaner nicht nur stärkste Partei im Repräsentantenhaus, sondern eroberten die Mehrheit im Senat zurück.

Spielt Trumps Beliebtheit eine Rolle?

Ja. Trump polarisiert, seine Gegner mobilisieren für die Wahl. Der Präsident selber hat die Midterms zu einer Abstimmung über seine Politik erklärt. Trumps Zustimmungswerte liegen nach den Berechnungen von FiveThirtyEight – bei denen mehrere Umfragen zusammengefasst werden – nur bei 42,1 Prozent. Das ist niedriger als bei den vier vorherigen Präsidenten zum selben Zeitpunkt in deren Amtszeit. So hatte beispielsweise Obama kurz vor den Zwischenwahlen 2014 Zustimmungswerte von 46,6 Prozent.

Wie kann die Wahl Trump gefährlich werden?

Sollten die Demokraten das Repräsentantenhaus erobern, könnten sie zahlreiche Untersuchungen gegen Trump einleiten. Schon jetzt beschäftigen sich mehrere Ausschüsse im Kongress – ebenso wie FBI-Sonderermittler Robert Mueller – mit der Frage, ob Trumps Wahlkampfteam 2016 geheime Absprachen mit Russland getroffen hat. Auch an anderen heiklen Themen mangelt es nicht. Die Ergebnisse könnten die Grundlage für ein Amtsenthebungsverfahren («Impeachment») bilden, das mit der einfachen Mehrheit im Repräsentantenhaus beschlossen werden kann. Die Demokraten könnten auch versuchen, Trump zur Offenlegung seiner Steuererklärungen zu zwingen.

Wofür kann ein US-Präsident des Amtes enthoben werden?

Nach der US-Verfassung muss ein Präsident des Verrats, der Korruption oder anderer schwerer Verbrechen und Vergehen für schuldig befunden werden, um des Amtes enthoben zu werden. Trump hat in diesem Fall vor einem Zusammenbruch der Märkte gewarnt.

Ist es wahrscheinlich, dass Trump sein Amt verliert?

Nach derzeitigem Stand nicht. Das Repräsentantenhaus kann ein Amtsenthebungsverfahren zwar beschliessen und den Präsidenten quasi anklagen. Das Verfahren – das einem Gerichtsprozess ähnelt – wird aber im Senat geführt, wo auch ein Urteil fällt. Am Ende müssen mindestens 67 der 100 Senatoren den Präsidenten für schuldig befinden. Selbst wenn die Demokraten nun den Senat erobern sollten, ist eine solche Zweidrittelmehrheit derzeit nicht möglich: Es stehen nur neun republikanische Senatorenposten zur Wahl. Selbst für den hochgradig unwahrscheinlichen Fall, dass die Demokraten alle ihre Senatssitze halten und alle republikanischen Sitze erobern sollten, kämen sie maximal auf 58 Sitze. Sie bräuchten also in jedem Fall republikanische Senatoren, die sich von Trump abwenden. Aktuell hält Trumps Partei aber trotz vieler Skandale treu zum Präsidenten.

Kann Trump ein solches Verfahren dann nicht egal sein?

Nein. Schon der Prozess an sich könnte für Trump hochgradig unangenehm werden – und der Ausgang eines Amtsenthebungsverfahrens könnte auch davon abhängen, was mögliche Untersuchungen über Trump ans Tageslicht bringen. Die Nachrichtenseite Axios berichtete Ende August, bei den Republikanern zirkuliere eine Liste mit mehr als 100 formellen Anfragen, die die Demokraten bereits gestellt hätten – und die die bisherige republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus weitgehend habe abbügeln können. Diese Themen dürften wieder auf den Tisch kommen, wenn sich die Mehrheitsverhältnisse ändern.

Sind in der Vergangenheit US-Präsidenten des Amtes enthoben worden?

Nein. Gegen drei US-Präsidenten – Andrew Johnson (1868), Richard Nixon (1974) und Bill Clinton (1998 und 1999) – wurden Amtsenthebungsverfahren begonnen. Johnson und Clinton wurden am Ende freigesprochen. Nixon trat vor dem Abschluss des Verfahrens zurück, um einer Amtsenthebung zuvorzukommen.

Was bedeuten mögliche neue Mehrheitsverhältnisse noch?

Sollten die Demokraten das Repräsentantenhaus erobern, könnten sie Initiativen der Republikaner blockieren, weil Gesetze wortgleich in beiden Kammern im Kongress verabschiedet werden müssen. Sollten die Demokraten auch im Senat eine Mehrheit holen, käme es noch dicker für Trump: Diese Kammer ist unter anderem für Personalentscheidungen verantwortlich. Wenn Trump einen Minister, Bundesrichter oder Botschafter ernennt, muss dieser vom Senat bestätigt werden. Bei der Besetzung wichtiger Ämter käme Trump nicht mehr an den Demokraten vorbei. Der Kongress legt zudem den Staatshaushalt fest, den der Präsident zum Regieren braucht.

Wann wissen wir, wie die Wahl ausgegangen ist?

Mit aussagekräftigen Ergebnissen wird am frühen Mittwochmorgen mitteleuropäischer Zeit gerechnet. Wenn das Ergebnis beim Senat knapp ausfällt, könnte es sich verzögern. Bei den Kongresswahlen 2014 stand gegen 3.15 Uhr MEZ fest, wer die Mehrheit im Abgeordnetenhaus hat, gegen 5.30 Uhr MEZ war klar, wer den Senat gewonnen hat. Die Wahl ist um diese Zeit noch gar nicht ganz vorbei, weil die USA sich über viele Zeitzonen erstrecken: Auf Hawaii schliessen die Wahllokale erst um 6.00 Uhr MEZ am Mittwoch. An der Ostküste öffnen erste Wahllokale am Dienstag um 12.00 Uhr MEZ.

Was wird ausser dem Kongress gewählt?

36 der 50 Bundesstaaten wählen ihre Gouverneure. Ausserdem werden etliche lokale Ämter vergeben, etwa in Parlamenten der Bundesstaaten oder an Gerichten. Auch lokale Initiativen stehen zur Abstimmung.

In Alabama, West Virginia und Oregon stimmen die Bürger über das Abtreibungsrecht ab. Die Vorschläge wollen den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen einschränken, unter anderem durch den Stopp einer staatlichen Finanzierung. Abtreibungsbefürworter lehnen solche Maßnahmen ab.

Zwar war Abtreibung immer schon ein umstrittenes Thema in den USA. Doch hat sich die Diskussion um Frauenrechte in diesem Jahr weiter aufgeheizt - nicht zuletzt durch die Nominierung des konservativen Richters Brett Kavanaugh zum Obersten Gericht.

Wahlrecht entzogen

In Florida wird darüber abgestimmt, ob ehemalige Strafgefangene schneller das Wahlrecht zurückbekommen sollen. Von dieser Entscheidung wären in dem Bundesstaat mehr als 1,4 Millionen Menschen betroffen. Ausgenommen würden nur Mörder und Sexualstraftäter.

Nach geltendem Recht müssen ehemalige Straftäter nach dem Absitzen ihrer Haft mindestens fünf Jahre warten, bevor sie die Rückerlangung ihres Wahlrechts beantragen können. In einem Staat ohne klare Mehrheiten (Swing State) könnte das einen großen Unterschied machen. Für die Umsetzung der Initiative ist eine Mehrheit von 60 Prozent erforderlich, weil es sich effektiv um eine Verfassungsänderung handelt. Umfragen zufolge hat die Initiative aber Chancen.

Legalisierung von Hanf

Michigan und North Dakota stimmen über die Legalisierung von Marihuana zum Privatgebrauch ab. In Missouri gibt es drei verschiedene Initiativen zum Drogenkonsum, darunter eine, die die medizinische Nutzung von Marihuana besteuern will. Utah will Marihuana zur medizinischen Nutzung freigeben. Dank einer sich wandelnden Stimmungslage könnten zumindest einige der Initiativen Erfolg haben.

Eine Mehrheit der US-Bürger befürwortet eine Entkriminalisierung oder Legalisierung von Marihuana. In konservativen Regionen des Landes gibt es aber weiter Widerstand dagegen. Der Ausgang in North Dakota und Missouri könnte knapp werden.

Verbot von Hunderennen

Mehrere US-Staaten haben Initiativen zur Einschränkung der Besteuerung auf den Weg gebracht. Oregon und Washington wollen Steuern auf Lebensmittel verbieten, während Florida eine qualifizierte Mehrheit für die Umsetzung von Steuererhöhungen fordert.

Florida stimmt darüber ab, ob statt gewählter Staatsbeamter die Bürger die Glücksspielgesetze kontrollieren sollen. Zudem steht ein Verbot von Hunderennen zur Abstimmung.

Arkansas und Missouri stimmen über eine Erhöhung des Mindestlohns ab. Mehrere Staaten haben Initiativen auf den Weg gebracht, mit denen die staatliche Gesundheitsvorsorge auf ärmere Gesellschaftsschichten ausgeweitet werden soll.

In Kalifornien sollen die Wähler darüber entscheiden, ob die Behörden eine Mietpreisbremse einsetzen dürfen. Immobilienunternehmer wehren sich gegen die Maßnahme, die zum Vorbild für andere Staaten werden könnte.