Massentierhaltung: «Milchproduktion nicht alternativlos»

Die Massentierhaltungsinitiative will raus aus der gewöhnlichen Tierhaltung, erklärt Kampagnenleiter Philipp Ryf. Tierschonende Alternativen seien möglich.

Mitglieder des Ja-Komitees zur Massentierhaltungsinitiative: Kampagnenleiter Philipp Ryf, zweiter von rechts, ist auch Co-Präsident von «Sentience Politics», einer Organisation für Tierrechte. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Im Rahmen der Massentierhaltungsinitiative sind vor allem Hühner Diskussionsthema.
  • Ja-Kampagnenleiter Philipp Ryf bemängelt aber auch die Haltung von Milchkühen.
  • Dabei wäre die aktuelle Art der Milchproduktion nicht alternativlos.

In der sich zuspitzenden Debatte zur Initiative gegen Massentierhaltung wird immer wieder das Argument «Grasland Schweiz» ins Feld geführt. Weil die Schweiz über grosse Flächen Weideland verfüge, sei die heutige Art der Tierhaltung alternativlos.

Richtig ist: Nicht ackerfähige Flächen mit Wiederkäuern nutzbar zu machen, ergibt tatsächlich Sinn und ist ganz im Sinne der Initiantinnen. Der Grossteil der heutigen Milch- und Fleischproduktion hat damit aber nur noch wenig zu tun: Zeit, einen Blick auf die aktuelle Situation der Kühe in der Schweiz zu werfen.

Gängige Milchproduktion verletzt Tierwohl

Seit Jahrtausenden halten Menschen das Hausrind als Zweinutzungstier, sowohl für Milch als auch für Fleisch. Über viele Jahrzehnte wurden diese Zweinutzungsrassen jedoch nach Fleischzuwachs oder Milchproduktion selektiert, sodass spezialisierte, auf Milch- beziehungsweise Fleischproduktion optimierte Rassen entstanden.

Philipp Ryf ist Co-Präsident von «Sentience Politics». - Sentience

Während der letzten 50 Jahre wurde die Milchmenge der gängigen Rassen durch gezielte, internationale Hochleistungszucht derart gesteigert, dass die Milchkühe heute mit 40 bis 50 Litern pro Tag die doppelte Milchmenge liefern wie noch vor wenigen Jahrzehnten – mit einschneidenden Folgen fürs Tierwohl.

Der Hochleistungs-Sprint im Leben einer Kuh beginnt bereits im Alter von rund 20 Monaten. Dann werden die Kühe zum ersten Mal besamt und bringen 9 Monate später ihr erstes Kalb zur Welt – obwohl sie zu diesem Zeitpunkt selber noch gar nicht ausgewachsen sind. Bereits zwei Monate nach der Geburt wird die Kuh erneut besamt, da die Milchleistung ohne erneute Trächtigkeit nach rund 10 Monaten abnehmen würde.

Milchbauer Thierry Pugin melkt seine Kühe, November 2018. Die rohe Milch wird anschliessend der Schokoladenproduzentin Cailler geliefert. - Keystone

Damit dies nicht geschieht, müssen Kühe jedes Jahr ein Kalb zur Welt bringen. Diese Dauerträchtigkeit, sowie die von den Kühen abverlangte Hochleistung führen zu einem raschen körperlichen Verschleiss.

Grasland Schweiz reicht für Massentierhaltung nicht

Obwohl eine Kuh bis zu 20 Jahre alt werden könnte, halten Milchkühe in der Schweiz durchschnittlich nur noch knapp 7 Jahre durch. Die Milchleistung würde sich mit zunehmendem Alter zwar noch steigern, doch nach der Geburt des dritten Kalbes treten häufig Probleme mit Gesundheit und Fruchtbarkeit auf. Der zusätzliche Aufwand führt dazu, dass Milchkühe durch jüngere, gesündere Tiere ersetzt werden.

Vorwerfen kann man es den Bauern nicht: Solange der Milchpreis derart unter Druck steht, ist der Bauer zu rein wirtschaftlichem Handeln gezwungen. Liefert er Milch nicht zum vom Verarbeiter verlangten Preis, wird dieser die benötigte Milch einfach importieren.

Personen demonstrieren gegen die Milchwirtschaft, Februar 2017. - Keystone

Das Problem der Hochleistungsrassen endet jedoch nicht bei den tierwohlrelevanten Aspekten. Damit die Kühe die geforderte Milchleistung erbringen, benötigen sie mehr Energie. Gras liefert für Hochleistungskühe zu wenig Energie. Daher muss Kraftfutter in Form von Getreide (Weizen, Mais, etc.) und Soja zugefüttert werden, obwohl die Verdauung der Kühe nicht auf diese Art von Futter ausgerichtet ist.

Zurück zur traditionellen Landwirtschaft

Mehr als die Hälfte dieses Kraftfutters wird aus dem Ausland importiert. Das ist weder tier- noch umweltgerecht und hat mit den landschaftlichen Eigenheiten der Schweiz und der traditionellen Alpwirtschaft nur noch wenig zu tun.

Mit einem Ja zur Massentierhaltungsinitiative wäre nur noch Tierhaltung möglich, die das Tierwohl respektieren. - Keystone

Eine tierfreundlichere Produktion ist möglich, das beweist eine steigende Anzahl von Betrieben mit alternativen Haltungssystemen. Die Milchproduktion in der biologischen Landwirtschaft ist weniger intensiv als in konventionellen Betrieben. Es werden Rassen bevorzugt, die auf Robustheit und Langlebigkeit gezüchtet sind. Die natürlichen Bedürfnisse der Kühe werden stärker berücksichtigt, etwa durch grosszügigere Ställe und Weidezugang.

Umfrage

Wie werden Sie zur Massentierhaltungsinitiative stimmen?

Ja!
45%
Weiss noch nicht.
8%
Nein!
47%

Die Initiative gegen Massentierhaltung will genau das: Zweinutzungsrassen, Kühe, die auf der Weide stehen und eine extensive Landwirtschaft, die sich an den natürlichen Ressourcen und nicht am Imperativ der Leistungsmaximierung orientiert. Ganz im Sinne der guten Tradition der Schweiz, wie sie vom Bauernverband so gern und oft zitiert wird.