Basel haucht Dating-Plattform für Biotech-Branche neues Leben ein

Inflation, Zinserhöhungen und wirtschaftliche Unsicherheit – eine Gemengelage, die gerade für die Biotechbranche nicht förderlich ist. Und doch ist in der Branche selbst von Verzagtheit nichts zu spüren.

Blick auf Basel. - Keystone

Das hat der Kongress Bio Europe vergangene Woche in Basel gezeigt. Wer sich dort umschaute und zuhörte, konnte sich von einer Welle aus Optimismus und Tatendrang tragen lassen.

Bio Europe gilt als die Veranstaltung, an der sich die Grossen und Kleinen der Branche treffen, um Ideen auszutauschen, möglicherweise bereits bestehende Beziehungen zu pflegen oder gar neue einzugehen. Kurzum, sie selbst nennt sich neudeutsch Partnering-Messe.

«Es ist so gut, nach drei Jahren endlich wieder dabei zu sein und sich direkt austauschen zu können», sagte etwa ein jüngerer Mann, der im Namen seines Biotech-Startups an der Veranstaltung teilnahm. Wegen der Corona-Pandemie war der Kongress an den vorangegangenen drei Jahren nur virtuell möglich gewesen.

Aber auch von den grossen wie Novartis, Roche und Merck ist in Richtung Biotechs zu hören: «Wir brauchen Euch – zeigt uns eure Ideen.» Und das passiert dann auch. Zahlreiche kleine Kabinen dienen den interessierten Parteien zu Gesprächen im kleinen Kreis. So war etwa Roche an der diesjährigen Bio Europe mit annähernd 200 Unternehmenstreffen sehr engagiert, hiess es von Seiten des Konzerns gegenüber AWP.

Im vergangenen Jahr «und auch in den Vorjahren haben wir rund 2500 Partnerschaftsmöglichkeiten geprüft. Normalerweise enden 3-4 Prozent der geprüften Möglichkeiten in einer neuen Partnerschaft» lässt Roche weiter wissen.

Partnerschaften sind denn auch das, was im vergangenen Jahr zu den bevorzugten «Deals» gehörte, wie David Thomas von der Organisation Biotechnology Innovation Organization (BIO) in seiner Eröffnungsrede erzählte. Anders als IPOs oder auch Übernahmen ist die Zahl der Partnerschaften 2022 leicht gestiegen.

In den zahlreichen Panel-Diskussionen sind die Vertreter der grossen Konzerne denn auch zuversichtlich, dass diese Art der Zusammenarbeit 2023 weiter ganz oben auf den «Deal-Listen» stehen wird. Novartis geht etwa davon aus, dass viele dieser Partnerschaften mit Unternehmen stattfinden werden, deren Projekte noch in einem recht frühen Stadium sind, wie Susanne Kreutz, Global Head of Corporate & Business Development, in einer dieser Diskussionsrunden sagte.

Schätzungen zufolge hat die Pharma- und Biotechbranche weltweit eine Feuerkraft von etwa 1,3 Billionen US-Dollar, um sich damit neues Know-How ins Portfolio zu holen.

Nicht zuletzt die teilweise exorbitanten Bewertungen dürften dazu beigetragen haben, dass die Zahl der Übernahmen und Fusionen zuletzt rückläufig war. Zur Erinnerung: Die Coronakrise hatte zeitweise für einen wahren Run auf Biotechaktien gesorgt. Die Goldgräberstimmung veranlasste dann auch Unternehmen dazu, an die Börse zu gehen, die noch nicht wirklich reif dafür waren. Die Folge war der Kollaps, der vor allem bei Investoren für eine ausgeprägte Katerstimmung gesorgt hat.

Für jene Unternehmen, die nach wie vor aktiv sind und ihre Forschungsprogramme weiterverfolgen wollen, hat dies gerade in dem aktuellen Wirtschaftsumfeld Folgen. Investoren, die sich zuvor die Finger verbrannt haben, sind bei weiteren Engagements vorsichtiger, Anschlussfinanzierungen gestalten sich mitunter gar als Wagnis.

Genau deswegen seien auch die grossen Pharmakonzerne gefragt, sagt auch Avaleigh Milne, die bei Roche als Head of Business Development for Pharma Research and Early Development (pRED) arbeitet. Sie könnten über mögliche Partnerschaften den kleineren Unternehmen eine gewisse finanzielle und operationelle Stabilität bieten, sagte sie im Gespräch mit AWP am Rande des Kongresses.

«Bei 75 Prozent der Moleküle, die wir in der vergangenen Dekade auf den Markt gebracht haben, spielte eine Partnerschaft in der ein oder anderen Form eine Rolle.» Mit Blick auf den Kongress hielt die Managerin noch fest, dass es trotz der teilweise angespannten finanziellen Situation vieler kleiner Unternehmen, nicht zu einer Machtverschiebung gekommen sei. Vielmehr treffe man sich auf Augenhöhe – etwas, das auch von den kleinen Biotechs zu hören ist.

Am Ende wissen beide Seiten, dass sie einander brauchen: Die Grossen sind auf den Forschergeist der Kleinen ebenso angewiesen, wie diese auf die finanzielle Schlagkraft der Schwergewichte. Mit diesem Kräfteverhältnis scheinen beide Seiten gut leben zu können, wie der rege Austausch an der Bio Europe zeigte.