Deutschland will EU-Mission im Persischen Golf
Die Bundesregierung hat klar Nein zu einer gemeinsamen Militärmission mit den USA im Persischen Golf gesagt. Ganz tatenlos will sie der zunehmenden Gefährdung der Handelsschiffe in der Strasse von Hormus aber dann doch nicht zuschauen.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach der Absage an einen US-Militäreinsatz im Persischen Golf setzt sich die Bundesregierung nun aktiv für eine EU-Beobachtermission zum Schutz von Handelsschiffen ein.
«Wir wollen eine europäische Mission», sagte Aussenminister Heiko Maas am Montag bei einem Besuch im polnischen Slubice. Grossbritannien entschied sich am Montag allerdings, an der umstrittenen US-Mission teilzunehmen. Damit drohen die Europäer in der Iran-Frage auseinanderzudriften.
Der Konflikt zwischen dem Iran und den USA hat die Sicherheitslage auf der wichtigen Handelsroute durch die Strasse von Hormus dramatisch verschlechtert. In den vergangenen Wochen sind dort Schiffe festgesetzt und angegriffen worden. Trotzdem hatte die Bundesregierung in der vergangenen Woche eine Anfrage der USA zur Teilnahme an ihrer Mission «Sentinel» (Wache) zum Schutz des Handelsverkehrs abgeschlagen. Der Grund: Sie will die US-Strategie des «maximalen Drucks» auf den Iran nicht unterstützen.
Die Briten wollen sich nun zunächst mit zwei Kriegsschiffen an der Mission beteiligen, die dort bereits 47 britische Handelsschiffe eskortiert haben. «Es ist angesichts der wachsenden Bedrohung entscheidend, dass die Freiheit des internationalen Seeverkehrs in der Strasse von Hormus ohne Verzögerung gesichert wird», sagte Aussenminister Dominic Raab.
Die EU-Mission stellt sich Maas anders vor als die amerikanische. An eine Eskortierung von Schiffen ist nicht gedacht. «Wir haben immer ūber eine Beobachtermission an der Strasse von Hormus gesprochen», sagte Maas. Das heisst: Die EU würde lediglich Informationen über die Gefährdung des Schiffsverkehrs sammeln und an die Handelsschiffe weitergeben. Damit liesse sich zwar eine gewisse Abschreckung erreichen, militärisch eingreifen könnte man bei einem Angriff aber nicht.
Die Bundesregierung lotet derzeit aus, wieviel Unterstützung es in der EU für eine Beobachtermission gibt. Nach Angaben des Auswärtigen Amts wird es noch in dieser Woche auf hoher Beamtenebene Gespräche mit Frankreich darüber geben. Auch mit anderen EU-Partnern inklusive Grossbritannien wolle man darüber sprechen. Es sei allerdings «absehbar, dass es sicherlich noch Zeit in Anspruch nehmen wird, die EU davon zu überzeugen», betonte Maas. Eine Beteiligung an der US-Mission schloss er erneut kategorisch aus.
Die Briten hatten eine europäische Mission kurz vor dem Wechsel an der Regierungsspitze selbst vorgeschlagen. Der neue Premierminister Boris Johnson vollzog dann aber die Kehrtwende, weil er der Meinung ist, dass der Schutz der Schiffe im Persischen Golf ohne die USA nicht machbar ist.
Der britische Aussenminister Raab betonte aber, dass Grossbritannien in der Iran-Politik an einer anderen entscheidenden Stelle weiter mit den europäischen Partnern an einem Strang ziehen wolle. «Wir wollen weiter mit dem Iran und unseren internationalen Partnern daran arbeiten, die Situation zu deeskalieren und das Atomabkommen zu erhalten», sagte er. Grossbritannien, Deutschland und Frankreich wollen das Abkommen von 2015 zur Verhinderung einer iranischen Atombombe retten, aus dem die USA längst ausgestiegen sind.
Was die Bundeswehr zu einer EU-Beobachtermission beitragen könnte, ist noch unklar. An der EU-Mission zur Bekämpfung der Piraterie am Horn von Afrika steuerte die Marine beispielsweise in den letzten Jahren immer wieder das Aufklärungsflugzeug P-3C «Orion» bei. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums liess am Montag jedenfalls keinen Zweifel daran, dass die Deutsche Marine in der Lage ist, sich an einer EU-Mission zu beteiligen: «Gehen Sie mal davon aus, dass die Deutsche Marine bisher alle Anforderungen, die an sie herangetragen worden sind, leisten konnte. Ich sehe keinen Grund, warum das nicht in Zukunft auch so sein soll.»
In der Europäischen Union müssten alle Mitgliedstaaten zustimmen - nach jetzigem Stand auch Grossbritannien, das allerdings die EU zum 31. Oktober verlassen möchte. Eine Mission einzelner europäischer Staaten ist aus deutscher Sicht rechtlich problematisch. Die Verfassung erlaubt Auslandseinsätze nur innerhalb eines «Systems kollektiver Sicherheit», zu dem die EU zweifellos zählen. Bei einer losen Koalition ist das umstritten.
In den vergangenen Tagen hatten vor allem CDU und CSU auf eine deutsche Initiative für einen EU-Einsatz gedrungen. «Die Glaubwürdigkeit Europas steht massiv auf dem Spiel», sagte der CDU-Aussenpolitiker Roderich Kiesewetter der Deutschen Presse-Agentur. «Am Seitenrand stehend zu kommentieren, wird dem Iran vielmehr weitere Freiräume bieten, die Grenzen seiner Provokationsstrategie gegenüber den USA auszutesten.»
Die SPD steht einer EU-Mission grundsätzlich offen gegenüber, «Es kommt aber auf die Ausgestaltung an», sagte der aussenpolitische Sprecher Nils Schmid der dpa. «Wir müssen den Abstand zu der amerikanischen, militärisch geprägten Mission wahren.»
Auch die FDP, die Grünen und die AfD haben keine grundsätzlichen Einwände gegen eine EU-Mission, falls bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Klar dagegen ist bisher nur die Linke. «Egal unter welcher Flagge, die Linke erteilt Plänen für einen Militäreinsatz deutscher Soldaten im Persischen Golf eine Absage», sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sevim Dagdelen.