Namibias Unterhändler sieht tragfähige Basis für Aussöhnung

Proteste gegen das geplante Aussöhnungsabkommen zwischen Deutschland und Namibia setzen ein Fragezeichen hinter ein schnelles Ende der Verhandlungen. Der Chefunterhändler gibt sich dennoch optimistisch.

Ein Denkmal erinnert im Zentrum der namibischen Hauptstadt an den von deutschen Kolonialtruppen begangenen Völkermord an den Herero und Nama von 1904 bis 1907. Foto: Jürgen Bätz/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Scheitern des Aussöhnungsabkommens, in dem die Bundesregierung die Verbrechen der deutschen Kolonialmacht im heutigen Namibia als Völkermord anerkennt, ist laut dem dortigen Chefunterhändler unwahrscheinlich.

Zed Ngavirue sagte der Deutschen Presse-Agentur in Namibias Hauptstadt Windhuk: «Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem beiderseits das Einvernehmen besteht, dass man ins Geschäft kommt.» Es sei eine tragfähige Basis gefunden worden, auf der beide Seiten aufbauen könnten. Der Zeitplan müsse aber angepasst werden, da das Parlament bis zum 8. Juni pausiere.

Auch der an den Verhandlungen beteiligte Dialograt der Nama- und Herero-Volksgruppen äusserte sich am Donnerstag positiv und empfahl trotz der Forderung nach einigen Nachbesserungen eine zügige Unterzeichnung. Ausdrücklich wird die in Aussicht gestellte Entschuldigung in der Erklärung des Rates begrüsst: «Man braucht Mut, um sich zu entschuldigen.» Deutschland solle aber noch einmal über eine Aufstockung seines Angebots nachdenken. Die geäusserten Bedenken einiger Kritiker an dem Abkommen wurde mit den Worten zurückgewiesen: «Wir können es uns nicht erlauben, von Individuen abgelenkt zu werden, die einfach nur um des Kritisierens willen kritisieren.»

Ngavirue sei ein Durchbruch bei den Verhandlungen zu verdanken. «Ich glaube nicht, dass es mit dem Vertrag als solches ein Problem gibt», erklärte der Chef-Unterhändler selbst und betonte: «Wenn einige Leute demonstrieren und sich lauthals beschweren, denkt die Gesellschaft, das sei die Mehrheit. Dem ist nicht so.» Nach der parlamentarischen Billigung des Dokuments könnten es die Aussenminister unterschreiben.

Mehr als 100 Jahre nach den Verbrechen der deutschen Kolonialmacht im heutigen Namibia erkennt die Bundesregierung darin die Gräueltaten an den Volksgruppen der Herero und Nama als Völkermord an. Deutschland will die Nachkommen offiziell um Vergebung bitten und in den nächsten 30 Jahren mit 1,1 Milliarden Euro unterstützen. Darauf haben sich nach jahrelangen Verhandlungen beide Regierungen verständigt.

Das Deutsche Reich war von 1884 bis 1915 Kolonialmacht im damaligen Deutsch-Südwestafrika und schlug Aufstände brutal nieder. Während des Herero-und-Nama-Kriegs von 1904 bis 1908 kam es zu einem Massenmord, der als erster Genozid im 20. Jahrhundert gilt. Historiker schätzen, dass 65.000 von 80.000 Herero und mindestens 10.000 von 20.000 Nama getötet wurden. Seit 2015 verwendet das Auswärtige Amt dafür den Begriff Völkermord in seinem allgemeinen Sprachgebrauch. Jetzt werden die Gräueltaten auch offiziell als Völkermord bezeichnet.

«Die Chiefs haben sich letzte Woche in den Besprechungen mit grosser Mehrheit zu dem Abkommensentwurf bekannt; natürlich wird es immer Leute geben, denen das, was gerade auf dem Tisch liegt, nicht passt», sagte Ngavirue. Zudem gebe es «Missverständnisse», die aufgeklärt würden. Dazu gehöre ein Milliardenwert, der ursprünglich «über verschiedene Formeln zur Quantifizierung des Leids» errechnet worden sei. «Das bedeutete nie, dass dies der Betrag ist, den man als Wiedergutmachung verlangt: Unser Leid ist unkalkulierbar.» Der nun vorliegende Vertragsentwurf biete aber eine Basis, auf der man den Nachfahren eine Wiedergutmachung zukommen lassen könne.

Ngavirue bestritt Behauptungen, die Unterhändler hätten ohne Rücksprache mit den Betroffenen verhandelt: «Das stimmt nicht, es gab Treffen über Treffen: Der Prozess wurde offen gehandhabt und die Leute (die Chiefs der betroffenen Gemeinschaften) wussten, wo wir waren und wo wir jetzt stehen.» Einige Mitglieder des Chief's Councils der Volksgruppen der Herero und der Nama hatten das von Deutschland vorgeschlagene Abkommen abgelehnt.

Das Gremium vereint die Anführer der betroffenen Volksgruppen. Dem Sonderbeauftragten und Verhandlungsführer der namibischen Regierung zufolge entspricht der Begriff des Chiefs im Deutschen am ehesten der einst von den Kolonialherren geprägte Ausdruck Häuptling. «Das sollten wir nicht ernsthaft debattieren; am besten ist es, stets den Begriff zu wählen, mit dem die Person in ihrer eigenen Gemeinschaft angesprochen wird: Chief oder Häuptling oder Kaptein - das ist doch nur eine Übersetzung», sagte Ngavirue.

Die von Berlin angebotenen Unterstützungszahlungen in Höhe von 1,1 Milliarden Euro über 30 Jahre hatten Kritiker als «inakzeptabel» und einen «Affront gegen unsere Existenz» bezeichnet. Die Ovaherero Traditional Authority, eine weitere Herero-Gruppe, hatte das Abkommen als PR-Coup Deutschlands kritisiert. Die Bundesregierung hatte immer wieder betont, dass es aus ihrer Sicht keinen Rechtsanspruch auf Entschädigung gebe. Die 1,1 Milliarden Euro seien als politisch-moralische Verpflichtung zu verstehen.