Hunderte Regional- und National-Politiker erhalten eine Einladung für bezahlte Auslandsreisen. Gehört das zur Informationsarbeit oder grenzt das an Korruption?
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Die Nagra lädt Politiker auf Reisen ein. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Über 750 Politiker erhalten Einladungen von der Nagra für sogenannte Informationsreisen.
  • Der Korruptionsexperte ist alarmiert, diese Einladungen seien hochproblematisch.

1800 Franken pro Person. Reise, Unterkunft, Verpflegung: all inclusive. Schweden, Deutschland und zurück nach Zürich im Charterflieger. Über 750 Schweizer Politiker erreichte am Montag eine solche Einladung für eine «Informationsreise».

Pikant: Der Absender ist die Nagra, die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle, bestehend aus den Schweizer AKW-Betreibern sowie dem Bund. «Die Informationsreisen sind Bestandteil des Informationskonzepts im Entsorgungsprogramm der Nagra, welches jeweils vom Bundesrat genehmigt wird. Die Reisekosten werden deshalb durch die Nagra getragen», heisst es im Brief.

Auslandsreise finanziert mit Gebührengeldern

Angeboten werden zwei Reisen: Eine in der Schweiz. Und eine im Ausland: die dreitägige Reise geht nach Schweden und Deutschland.

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Programme gemäss Einladung der Nagra. - zVg

Hintergrund: Die Nagra sucht in der Schweiz ein Tiefenlager, wo AKW-Abfälle langfristig sicher gelagert werden können. Die Standortsuche soll bis 2029 abgeschlossen sein, ab 2050 soll das Lager in Betrieb gehen. Der Entscheid des Bundesrats zur Rahmenbewilligung muss vom Parlament genehmigt werden und unterliegt dem fakultativen Referendum.

Um die Herausforderung der Endlagerung radioaktiver Abfälle von AKW stemmen zu können, verlangen die Stromanbieter einen Rappen pro Kilowattstunde. Diese Abgabe landet im Stilllegungs- und Entsorgungsfonds der Nagra, aus dem sie auch die Reisen finanzieren.

Atomendlager
Blick auf das Forschungslabor Nagra oberhalb Guttannen BE. - keystone

Transparency International spricht von Korruption

Für Alex Biscaro, Stellvertretender Geschäftsführer bei der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International Schweiz, ist klar: «Solche Einladungen sind nicht nur unter Korruptionsaspekten problematisch, sondern auch demokratiepolitisch fragwürdig.» Schliesslich stehe das Vertrauen der Bürger in die Unabhängigkeit der Politik auf dem Spiel.

Die Empfehlungen der Ratsbüros des Parlaments sagen denn auch ganz klar, dass solche Einladungen nur dann angenommen werden können, wenn die Reisekosten selbst bezahlt werden. Andernfalls könnten Politiker mit dem Korruptionsstrafrecht in Konflikt geraten.

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Transparency International kämpft weltweit gegen Korruption. - dpa

«Reise-Einladungen von Lobby-Gruppen an Parlamentsmitglieder und andere Amtsträger sind grundsätzlich heikel», so Biscaro. «Dies gilt er recht, wenn es wie bei der Nagra-Einladung um mehrtägige Reisen im In- und Ausland mit offerierten Übernachtungen geht.»

Doch: Nicht nur bezahlt die Nagra den Politikern die Reise. Die Eingeladenen werden von Mitarbeitern des Nuklearsicherheitsinspektorats (Ensi) und des Bundesamts für Energie (BFE) begleitet. Auch diese werden von der Nagra bezahlt. Doch es sind auch diese Ämter, welche die Suche nach dem Endlager leiten und beaufsichtigen.

Diese haben den Auftrag, über die Atommüll-Lagerung zu informieren. Allerdings: Die besuchten Beispiele in Deutschland und Schweden haben aus geologischer Sicht nichts mit dem in der Schweiz geplanten Endlager zu tun. Ein ehemaliger Teilnehmer fasst es gegenüber dem «Beobachter» so zusammen: «Das Hauptziel scheint jeweils zu sein, dass die Nagra-Leute am Schluss mit allen Politikern per du sind.»

Hinweis: Die Nagra nimmt hier zu ihren Informationsreisen Stellung.

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