Scorpions-Sänger Klaus Meine über seltsame Momente im Dixi-Klo
Sie gehören zu den wenigen deutschen Hard-Rock-Bands, die auch im Ausland grosse Erfolge erzielen konnten. Die Scorpions wurden 1965 in Hannover gegründet, mehr als 50 Jahre später stehen sie noch immer auf den grossen Bühnen der Welt. Das macht die Scorpions zu einer der langlebigsten Bands der Geschichte. Songs wie «Rock You Like a Hurricane», «Still Loving You» oder «Wind of Change» werden zu den Klassikern des Rocks gezählt – und das international. An den Ruhestand denkt hier noch keiner, 2022 erschien mit «Rock Believer» ihr bislang letztes Album.
Aktuell befindet sich die Gruppe bestehend aus Klaus Meine (74), Rudolf Schenker (74), Matthias Jabs (67), Paweł Mąciwoda (56) und Mikkey Dee (59) auf grosser Tournee, auch in ihrer Heimat machen die Rocker im Mai und Juni halt. «Nachdem wir uns im Rest der Welt warm gespielt haben, ist es jetzt endlich an der Zeit, für unsere deutschen Fans zu spielen», erzählt Sänger Klaus Meine im Doppelinterview mit Gitarrist Matthias Jabs. Die beiden haben mit der Nachrichtenagentur spot on news über seltsame Momente im Dixi-Klo, Bühnenunfälle sowie den Krieg in der Ukraine gesprochen.
Im Mai und Juni führt Sie ihre «Rock Believer»-Tour nach Deutschland. Wie sehr freuen Sie sich, im Heimatland wieder auf der Bühne zu stehen?
Klaus Meine: Wir freuen uns sehr darüber. Die Tour wurde 2022 Pandemie-bedingt verschoben. Nachdem wir uns im Rest der Welt warm gespielt haben, ist es jetzt endlich an der Zeit, für unsere deutschen Fans zu spielen.
Sie spielen auch in Hannover, Ihrer Heimatstadt. Wie zeichnet sich die Stimmung dort aus? Sind Sie aufgeregter, wenn Sie dort spielen?
Matthias Jabs: Es ist schön, endlich mal wieder in Hannover zu spielen. In anderen deutschen Städten haben wir in den letzten Jahren häufiger gespielt, Hannover ist 13 Jahre her. Die Fans freuen sich auf uns und wir freuen uns auf sie. Es ist immer aufregend, vor der eigenen Haustür zu spielen. Freunde und Bekannte werden da sein.
Meine: Ganz viele vertraute Gesichter werden vor der Bühne stehen.
Jabs: Wir haben in Hannover Backstage mehr Leute als andere Bands vor der Bühne (lacht).
2022 haben Sie eine grosse US-Arena-Tournee absolviert. Inwiefern gibt es Unterschiede zwischen den amerikanischen und deutschen Fans?
Meine: Die amerikanischen Fans sind grundsätzlich lauter. Die machen sich am Nachmittag auf dem Parkplatz vor der Halle schon das erste Bier auf und stimmen sich ein. Aber die Unterschiede sind sehr gering, denn Rockfans bilden eine weltweite Community. Die USA waren schon immer ein guter Rockmarkt. Deutschland ist ebenfalls ein Hard-Rock- und Heavy-Metal-Territorium.
Was darf bei Ihnen auf der Tour nicht fehlen?
Meine: Ein guter Duschraum. Damit kann man mir eine grosse Freude machen. Aber nicht, weil ich duschen will. Das habe ich schon morgens gemacht. Ich singe mich vor den Auftritten in den Duschräumen gerne warm.
Jabs: Uns mangelt es meistens an nichts, wenn wir auf Tournee sind. Ich spiele mich warm – nicht in der Dusche, sondern in meiner Garderobe. Ich brauche ungefähr eine Stunde, um die Finger vorzubereiten. Da darf ein Stuhl ohne Armlehnen nicht fehlen. Ich stimme mich auch mental aufs Konzert ein.
In der Dusche ist die Akustik gut, nehme ich an?
Meine: Natürlich. Je grösser die Dusche ist, desto besser. Das Erste, was ich mache, wenn ich in der Halle ankomme: Ich checke die Duschen. Es klingt lächerlich, aber es ist wirklich wichtig. Wir haben in all den Jahren schon viel erlebt. Wenn ich Ihnen erzählen würde, wo ich mich schon überall warm gesungen habe, das würden Sie nicht glauben. Bei Festivals gibt es meist nur Zelte für die Künstler. Wenn mehrere Bands spielen, ist es dort in der Regel sehr laut – auch im eigenen Zelt. Der einzige Platz, der dann vielleicht noch bleibt, ist das Dixi-Klo. Ich erinnere mich an eine Show in Mexiko, wo ich mich dort warm gesungen habe. Dieses Dixi hat gewackelt, weil gerade KISS gespielt hat.
Jabs: Solange es nicht umgekippt ist, geht's ja (lacht).
Sie gehören zu den wenigen deutschen Bands, die auch im Ausland, vor allem in den USA, grosse Erfolge feiern. Wie können Sie sich das erklären? Warum fällt es anderen Künstlern so schwer, international Fuss zu fassen?
Meine: Ein Grund ist die Sprachbarriere. Das geht nicht nur deutschen Künstlerinnen und Künstlern so, sondern auch zum Beispiel französischen Sängerinnen und Sängern. Zudem muss man sich als Liveband behaupten – und das nicht nur regional, sondern weltweit. Man steht automatisch mit den besten Bands in diesem Genre auf der Bühne. Wir hatten es in den 80ern mit Bands wie Van Halen, Aerosmith oder ACDC zu tun. Wenn du mit solchen Bands auf Tournee bist oder auf Festivals spielst, dann wirst du an ihnen gemessen und musst abliefern. Das haben wir gemacht. Den Stempel «Superstar» musst du dir verdienen, den bekommt niemand geschenkt.
Die Scorpions gibt es schon seit 1965. Was waren Ihre grössten Highlights im Laufe Ihrer langen Karriere? Und was blieb bei Ihnen negativ in Erinnerung?
Jabs: Wir haben so viele Highlights erlebt. Alle aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Natürlich die ganzen grossen Konzerte, die wir bis heute spielen. Wir wurden vor wenigen Jahren, kurz vor der Pandemie, auf dem Festival Rock in Rio durch das Fan-Voting als beste Band ausgezeichnet. Dass wir unser 50-jähriges Jubiläum schon vor Jahren gefeiert haben, ist auch etwas Besonderes. Das erlebt nicht jede Band. Es ist eine von Highlights gespickte Karriere, etwas Negatives fällt mir nicht ein.
Meine: Etwas Negatives könnte ich beisteuern. Vor einigen Jahren, als es so etwas wie Pyrotechniker noch nicht gab, hatten wir einen jungen Mann, der etwas Ähnliches gemacht hat. Er hatte ein paar Sachen, mit denen man einen lauten Knall oder Feuer erzeugen konnte. Wir waren damals noch junge Musiker und haben uns lange vor Rammstein an explosiven Shows versucht. Ich hatte einen Zylinder, der mit Schwarzpulver versehen war – er konnte per Fernsteuerung gezündet werden. Während wir auf der Bühne standen und den letzten Song gespielt haben, sollte der Hut auf meinem Kopf hochgehen. Beim Soundcheck hatte alles wunderbar geklappt. Abends beim Konzert leider nicht. Ich bin anschliessend zu ihm hin und habe gefragt, warum es nicht explodiert ist. In diesem Moment gab es einen lauten Knall und mein Hemd sowie Oberkörper stand in Flammen.
Jabs: Das sind die Zeiten gewesen, wo man auf der Bühne noch einen Stromschlag bekam. Heute passiert das nicht mehr. Ausserdem hat man Techniker, die eine Lizenz haben. Das war bei diesem Mann nicht der Fall. Da kann man im Nachhinein nur sagen: Ein Glück, dass das nicht im Dixi-Klo passiert ist (lacht).
Aber es ist hoffentlich nichts Schlimmes passiert, nachdem der Zylinder explodiert ist?
Meine: Nein. Ich bin abends nach Hause gekommen und meine Freundin meinte zu mir: «Irgendwas riecht hier angebrannt.»
In dieser Anfangszeit oder auch später: Haben Sie jemals ans Aufhören gedacht?
Meine: Ja, als wir schon sehr erfolgreich waren. 1982, als wir das Album «Blackout» aufgenommen haben, war meine Stimme weg. Erst nach zwei Stimmbandoperationen konnte ich wieder singen. Da gab es Momente, wo ich dachte, das ist das Ende meiner erfolgversprechenden Karriere mit den Scorpions. Gott sei Dank hat sich alles zum Guten gewendet. Wir haben alle zusammengehalten und diese für mich schwierige Zeit durchgestanden.
Und bei Ihnen, Herr Jabs? Gab es bei Ihnen irgendwann mal Momente?
Jabs: Ich bin erst seit 1978 dabei. Es gab viele Höhen, aber natürlich hatten wir auch Zeiten, wo es nicht einfach war. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre, als Grunge den Classic-Rock weitestgehend verdrängt hat, hatten wir Probleme uns zu orientieren. Denn es gab Stimmen, die sagten, unsere Musik sei von gestern und keiner wolle sie hören. Daraufhin haben wir ein Album gemacht, was nicht gerade das Schmuckstück unserer Karriere ist. Zum Glück haben wir uns am Ende besonnen und sind unseren Weg gegangen. Eine kurze Zeit lang hatten wir die Orientierung verloren. Aber wir haben in das richtige Fahrwasser zurückgefunden.
Können Sie Ihre grössten Hits wie «Wind of Change» oder «Rock You Like a Hurricane» nach all den Jahren überhaupt noch hören?
Meine: Glücklicherweise geht es anderen Bands auch so. Deep Purple spielt immer noch «Smoke on the Water». Ein Song wie «Wind of Change» ist nach all den Jahren immer noch relevant und eine junge Generation hört ihn und besucht unsere Konzerte. Das ist grossartig.
Der Song «Wind of Change» hat vor Kurzem eine Milliarde YouTube-Aufrufe geknackt. Wie wichtig sind Ihnen solche Zahlen?
Meine: Das spielt keine grosse Rolle. Das ist für den Augenblick ein beeindruckender Moment. Aber all diese Zahlen, auch bei Spotify, sind schwierig. Vor allem, wenn man aus einer Zeit kommt, wo man Millionen Schallplatten verkauft und Gold- sowie Platin-Alben mit nach Hause gebracht hat. Das sind andere Dimension als heute. Wir gehen mit der digitalen Welt und natürlich freue ich mich über so einen Erfolg. Aber Zahlen stehen nicht im Vordergrund, sondern vielmehr ein neues Album zu machen. Was wir nicht machen müssten. Aber wir tun es aus der reinen Lust, etwas Neues für unsere Fans zu machen. Das treibt und spornt uns an. Wenn wir die junge Generation vor der Bühne stehen sehen, ist das sehr motivierend. Denn irgendwas machen wir offenbar richtig.
Sie haben aufgrund des Überfalls von Russland auf die Ukraine den Text verändert. Statt «Follow the Moskva/ Down to Gorky Park» singen Sie nun «Now listen to my heart/ It says Ukrainia». Wie wichtig finden Sie es, in solchen Zeiten ein Zeichen zu setzen?
Meine: Der Krieg hat vor über einem Jahr begonnen. Als wir mit der Tour in Las Vegas angefangen haben, wusste ich, dass man den Text, diese romantisierenden Zeilen für Russland, nicht mehr singen kann. Dass man entweder den Song aus der Setlist rausnimmt oder diese Textzeilen ändern muss, um die Solidarität mit der Ukraine auszudrücken. Das war sehr wichtig. Die ganze Band stand hinter dieser Massnahme und auch das Publikum hat es sehr gut aufgenommen. Es waren viele ukrainische Flaggen zu sehen und die Konzerte waren sehr emotional. Leider kann man als Musiker nicht viel mehr tun, um darauf aufmerksam zu machen oder sich solidarisch zu zeigen. Wir haben viele Jahre nicht nur in Russland, sondern auch in der Ukraine Konzerte gegeben. Wir fühlen uns mit den Ukrainern verbunden und hoffen, dass dieser schreckliche Krieg bald endet.
2022 erschien mit «Rock Believer» Ihr bislang letztes Album. Ist eine neue Platte geplant?
Jabs: Wir sitzen gerade in dem Studio, indem wir «Rock Believer» aufgenommen haben und es fühlt sich so an, als wäre das noch gar nicht lange her. Wir haben viel vor und wir lassen es mal auf uns zukommen. Ob uns nochmal die Muse küsst und wir uns denken, dass wir ein neues Album machen müssen, wird sich zeigen. Es kann sein, muss aber nicht.
Herr Meine, Sie feiern am 25. Mai ihren 75. Geburtstag. Haben Sie schon Pläne?
Meine: Ich habe keine Pläne im Moment. Alles, was ich weiss, ist, dass wir kurz vor meinem Geburtstag in Berlin spielen. Vielleicht gehen wir abends essen. Aber es ist keine grosse Party in dem Sinne geplant. Das Schönste ist, wenn man auf Tour ist und nicht wie früher auf der Bühne eine Geburtstagstorte ins Gesicht bekommt.
Die deutschen Tour-Daten der Scorpions
14.05.2023 Dortmund – Westfalenhalle
16.05.2023 Mannheim – SAP Arena
19.05.2023 Hannover – ZAG Arena
21.05.2023 Stuttgart – Schleyer-Halle
23.05.2023 Berlin – Mercedes-Benz Arena
05.06.2023 München – Olympiahalle